Quote:Europarat besorgt über Gewalt in deutschen Jugendgefängnissen

18. April 2007
Der Europarat hat sich besorgt über die Gewalt in einigen deutschen Jugendgefängnissen geäußert. In einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht rügt er vor allem die Zustände in den Haftanstalten von Hameln, Weimar-Ichtershausen und Halle. Viele Insassen hatten dort einer Delegation des Europäischen Anti-Folter-Komitees bei einer Visite Ende 2005 von Drohungen, Einschüchterungen, sexuellen Übergriffen oder anderer, von ihren Mithäftlingen ausgehender Gewalt berichtet.

In einem Register des Gefängnisarztes von Hameln fanden die Fachleute der Delegation Fotos von Jugendlichen mit gebrochenen Nasen, blauen Augen und Stichwunden. In Weimar-Ichtershausen klagten Insassen über Erpressungen und sexuelle Übergriffe. Einige hatten so große Angst, dass sie ihre Zellen nicht mehr verließen und auf den täglichen Hofgang verzichteten. Ein Jugendlicher berichtete, er sei einige Tage vorher von einem älteren Mitinsassen vergewaltigt worden. Ein ärztliches Attest untermauerte laut dem Anti-Folter-Komitee seine Aussage.

Schläge und sexuelle Belästigungen

Im Jugendgefängnis von Halle traf die Delegation auf ein „Klima von Drohungen und Einschüchterungen“, die laut Bericht durch eine stark ausgeprägte „Machtstruktur innerhalb der Häftlinge“ bedingt sei. Die inhaftierten Jugendlichen aber auch einige Wärter berichteten von Machtkämpfen, Schlägen und sexuellen Belästigungen. Homosexuelle seien solchen Aggressionen besonders häufig ausgesetzt, heißt es weiter.

Laut dem Bericht ist das Klima der Gewalt nicht zuletzt auf einen Mangel an Gefängnispersonal zurückzuführen. Dies gelte insbesondere nachts und an den Wochenenden. Im Gefängnis von Hameln etwa seien zum Zeitpunkt der Visite nachts zehn Wachleute für die Aufsicht von mehr als 600 Häftlingen verantwortlich gewesen, in einigen Gebäuden sei nachts kein einziger Wärter anzutreffen gewesen.

Kritik an „Fixierung“ von Menschen

Kritik äußerten die Fachleute außerdem an der in Deutschland weit verbreiteten Praxis, widerspenstige Festgenommene oder Patienten in psychiatrischen Anstalten mit Armen und Beinen an Betten zu schnallen. Die Methode der „Fixierung“ dürfe nur „als letztes Mittel“ angewandt werden, um zu verhindern, dass die Betroffenen sich selbst oder andere verletzten. Keinesfalls aber dürften sie über längere Zeiträume allein und ohne Überwachung festgeschnallt in den Betten gelassen werden.

Neun Mitglieder des Anti-Folter-Komitees und fünf Übersetzer hatten vom 20. November bis zum 2. Dezember 2005 insgesamt 17 Einrichtungen in acht Bundesländern besucht - Polizeikommissariate, Gefängnisse, geschlossene psychiatrische Einrichtungen und Abschiebelager für Ausländer. Der Bericht durfte laut Anti-Folter-Abkommen erst jetzt, nach Zustimmung der Bundesregierung, veröffentlicht werden.